Bewegung in den Fankurven

Rassistische Schmährufe gehören zum Alltag in deutschen Stadien. Der DFB kämpft mit neuen Regeln gegen diskriminierende Äußerungen von den Rängen. Plötzlich wird angezeigt, was bis vor kurzem noch geflissentlich überhört wurde

von andreas rüttenauer

Schon wieder ist der Deutsche Fußballbund (DFB) gezwungen, in Sachen Rassismus zu ermitteln. Beim Bundesligaspiel am Samstag in Aachen sind sowohl Fans der Heimmannschaft als auch Anhänger von Borussia Mönchengladbach mit rassistischen Spechchören aufgefallen. Nun müssen die Clubs mit einer Bestrafung rechnen.

Martin Endemann, Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff), begrüßt das Einschreiten des Fußballverbandes. Die neue, harte Linie des DFB hat für ihn zwei Ursachen. Zum einen habe mit Theo Zwanziger ein Mann die alleinige Führung im deutschen Fußball übernommen, dem es ernst ist mit dem Kampf gegen diskriminierendes Verhalten. Zum anderen würden die vom Weltfußballverband (Fifa) initiierten Regeländerungen im Kampf gegen Rassismus erste Früchte zeigen. Danach muss mit harten Strafen rechnen, wer seine Anhänger nicht im Griff hat. Hansa Rostock ist der erste Club, auf den die vor anderthalb Wochen vom Bundestag des DFB angepassten Regelungen angewendet wurden. Beim Pokalspiel der zweiten Mannschaft von Hansa war Gerald Asamoah Opfer rassistischer Schmährufe geworden. Der DFB verhängte eine Geldstrafe von 20.000 Euro, außerdem muss das Oberligateam ein Spiel vor leeren Rängen austragen.

Das Urteil liegt knapp über dem Mindeststrafmaß. Sollten die Bundesligisten Alemannia Aachen und Borussia Münchengladbach für die Gesänge aus ihren Fankurven belangt werden, dürfte ein Urteil also kaum milder ausfallen. „In den nächsten Tagen“ sei mit dem Schuldspruch zu rechnen, meinte DFB-Sprecher Harald Stenger gestern. Er verwies darauf, dass rassistische Vorkommnisse nicht erst seit neuestem bestraft werden können. Eine neue Linie will er nicht erkennen. „Es war Ruhe an der Front“, sagt er. Endemann sieht das anders: „Asylanten!“ haben Aachener Fans am Wochenenden im Chor gebrüllt. „Das gehört zum üblichen Vokabular in deutschen Stadien.“ Endemann glaubt, dass es zu den DFB-Ermittlungen nur gekommen ist, weil nach der Umsetzung der Fifa-Bestimmungen endlich genau beobachtet werde, was in den Stadien passiert. Das hat Schiedsrichter Weiner, der wie seine Kollegen angewiesen worden war, auf rassistische Äußerungen genauestens zu achten, getan und via Stadionsprecher gemahnt. Dass Gladbacher Anhänger daraufhin ebenfalls rassistische Sprechgesänge abgesondert haben, darauf wiesen nach dem Spiel Journalisten hin. Die Wachsamkeit ist gestiegen.

Wohin dies führen wird, ist ungewiss. Die Wahrnehmung auch vieler Journalisten sei, so Endemann, selektiv. So komme nicht jeder Fall vor den Kontrollausschuss. Eine gerechte Behandlung des Clubs sei schwierig. „Ich möchte jetzt nicht in der Haut des DFB stecken“, so Endemann.

Vielleicht aber führt das frühe und konsequente Eingreifen des DFB auch dazu, dass die Mehrheit der anständigen Anhänger die Problemfans domestizieren, weil sie Strafen für ihren Club unbedingt vermeiden wollen. Das große Antirassismus-Transparent, das in Rostock am Montagabend beim Zweitligaspiel gegen Kaiserslautern ausgerollt wurde, könnte ein erstes Zeichen dafür sein.